Originalartikel (Langversion) von Markus Wolff, erschienen im Controllermagazin, Ausgabe September/Oktober 2020; B 12688 | 45. Jg | ISSN 16160495

Der Weg zur passenden Visualisierung in Berichten

Jede Art der Visualisierung betont bestimmte Aspekte besser oder schlechter. Um dem Anwender Sicherheit zu geben, werden in diesem Beitrag Vor- und Nachteile verschiedener Darstellungsformen erläutert und typische Entscheidungsoptionen im Visualisierungsprozess beschrieben.

Bei den meisten Menschen ist der visuelle Sinn am stärksten ausgeprägt. Mehr als 80% unserer Informationen nehmen wir über die Augen wahr (1). Grafische Darstellungen geben abstrakten Datensätzen eine verständlichere Form und unterstützen so das Verstehen komplexerer Zusammenhänge (2). Dies gilt auch für die Wissensvermittlung im Reporting.

Zuerst gilt es, Kernaussagen und inhaltliche Struktur eines Berichts zu klären. Erst im Anschluss ist es möglich, geeignete Visualisierungsformen zu wählen. Dabei gibt es kein absolutes Optimum. Jede Darstellungsform betont bestimmte Aspekte besser oder schlechter. Immer gilt jedoch: Eine Form, die schlecht und wirkungslos visualisiert, verwirrt den Betrachter und kann für falsche Schlussfolgerungen sorgen. Das Gestaltungsziel ist stets die klare, unmissverständliche Vermittlung der Kernbotschaften und aller relevanten Detailinformationen.

Diagramm versus Tabelle

Sobald die Inhalte ausgewählt und strukturiert sind, befasst sich die erste Designentscheidung damit, welche Themen in Diagrammen visualisiert und welche in Tabellen aufgelistet werden sollen.

Diagramme erhalten eine höhere Aufmerksamkeit. Sie werden “gesehen”, visuell wahrgenommen. Betrachter erfassen grafisch dargestellte Datenpunkte nicht einzeln nacheinander, sondern gleichzeitig als Gesamtbild. Diagramme sind gut geeignet, um Übersicht zu schaffen, Muster und Strukturen auf einen Blick zu vermitteln.

Tabellen werden im Gegensatz dazu “gelesen”. Sie können eine große Anzahl von Einzelwerten strukturiert und platzsparend anzeigen. Leser erfassen Datenwerte einzeln nacheinander, z. B. um diese dann paarweise zu vergleichen und so die gewünschten Detailinformationen zu erhalten.

Durch die Kombination von Diagrammen und Tabellen bedient ein Bericht beide Wahrnehmungsformen (sehen, lesen) sowie unterschiedliche Informationsbedürfnisse (Überblick, Detail). Inhalte mit höchster Priorität (Kernbotschaften) werden visualisiert. Es entsteht der gewünschte Überblick. Nützliche Details werden bei Bedarf in Tabellenform mitgeliefert.

Diagrammtypen

Jetzt ist im Visualisierungsprozesses klar, welche Inhalte in Form von Diagrammen erscheinen sollen. Für diese Informationen gilt es nun geeignete Grafikformen zu finden. Dies geschieht in einem typischen, wiederkehrenden Denkprozess, der schematisch in den folgenden Abbildungen festgehalten ist.

Die Symbolbilder in den Abbildungen zeigen keinen vollständigen Katalog aller Diagrammvarianten. Aus den beschriebenen Entscheidungskriterien ergeben sich zahlreiche mögliche Kombinationen und Untervarianten. Das gilt sowohl für die gezeigten Grundtypen als auch für die später hinzukommenden Abweichungsgrafiken.

Der erste Schritt ist die Auswahl einer Diagramm-Grundform. Drei Hauptkriterien sind wichtig: Datenkategorie, Werteinheit und Anzahl der Datenreihen. Diese Kriterien sind voneinander unabhängig zu beurteilen. Daher gibt es keine bestimmte Reihenfolge bei der Entscheidungsfindung.

Den Empfehlungen der IBCS® (International Business Communication Standard/ibcs.org) folgend lassen sich zwei Arten von Datenkategorien unterscheiden: Zeitperioden und andere Dimensionen. Zeitreihen werden grundsätzlich in Säulendiagrammen mit horizontaler Achse gezeigt. Alle anderen Kategorien (Strukturaufrisse) werden als Balkendiagramme mit vertikaler Achse gezeigt. Dies können z. B. Produkte, Länder oder Kostenarten sein. Außerdem gibt es Portfoliodiagramme, welche zwei Wertgrößen aufreißen.

In der Praxis sind teilweise Liniendiagramme (“Fieberkurven”) anzutreffen. Diese sind jedoch keine empfehlenswerte Standardlösung für Managementberichte, weil sie sich nicht für die später hinzukommenden Abweichungsanzeigen eignen. Daher gehören Liniendiagramme zu den Sonderformen, die für Spezialfälle eingesetzt werden, z. B. für reine Trendaussagen, ohne Abweichungsanzeige oder für den Vergleich mehrerer Szenarien.

Unterschiedliche Diagrammtypen für Zeitreihen und Strukturaufrisse zu verwenden, hat mehrere praktische Vorteile. Zeitreihenanalysen werden intuitiv richtig von links nach rechts gelesen. Die Beschriftung der Kategorien ist unproblematisch, weil sich Periodenbezeichnungen mit wenigen Zeichen abkürzen lassen. Strukturaufrisse werden wie Listen intuitiv von oben nach unten abgelesen. Die Achsenbeschriftungen bestehen oft aus längeren Wörtern. Die vertikale Achse erlaubt es, Bezeichnungen ohne Zeilenumbrüche neben den Balken zu platzieren.

Soll ein Diagramm nur eine einzelne Datenreihe darstellen, steht der Grundtyp jetzt bereits fest. Sollen jedoch mehrere Datenreihen gezeigt werden, dann ist eine weitere Entscheidung zu treffen. Wenn für die Aussagekraft des Diagramms die Summenwerte wichtiger sind als die Einzelwerte, dann ist ein gestapeltes Diagramm der richtige Typ. Sollen hingegen primär Aussagen zu einzelnen Datenreihen vermittelt werden, dann ist ein Mehrfachdiagramm (Small-Multiple) die richtige Wahl.

Manchmal kann eine Entscheidungsfrage hinsichtlich der Diagrammtypen nicht eindeutig beantwortet werden, weil mehrere Sichtweisen wichtig sind (z. B. Struktur und Zeitreihe). In solchen Fällen ist konsequentes Denken wichtig. Entweder eine der Varianten erhält bei nochmaliger kritischer Betrachtung Priorität (z. B. Zeitreihe). Dann kann die andere Variante bei Bedarf als ergänzende Tabelle in den Bericht einfließen. Müssen jedoch beide Sichtweisen visualisiert werden, sind beide Grafiken separat zu erstellen, jede klar strukturiert und leicht verständlich.

Im nächsten Schritt entscheidet man, welche Abweichungen in welcher Form visualisiert werden sollen. Abweichungen sind der Hauptgegenstand von Analysen, Kommentaren und Begründungen. Die Basiswerte sagen oft wenig aus, z. B. ein Umsatz von 10 Mio. Euro. Erst die Abweichung von einem Vergleichswert ermöglicht eine entscheidungsorientierte Bewertung der gezeigten Daten. Die wichtigsten Abweichungen sollten daher unbedingt visualisiert werden.

Grundsätzlich stehen zwei Möglichkeiten der Darstellung zur Verfügung: Die separate Anzeige neben der Basisgrafik oder die integrierte Darstellung direkt an den Basissäulen oder -balken. Jede dieser Abweichungsanzeigen visualisiert die Differenz der gezeigten Basiswerte (z. B. Ist) zu einem zweiten, nicht gezeigten Szenario (z. B. Plan).

Die separate Darstellung neben oder über der Basisgrafik bildet die universelle Standardlösung. Hier sind die Abweichungen sehr deutlich zu erkennen und können einfach beschriftet werden, ohne dass Probleme mit Überschneidungen auftreten. Mehrere Abweichungsdiagramme lassen sich modular kombinieren, z. B. absolute und relative Abweichung.

Außerdem erlaubt die separate Anzeige Überleitungsdarstellungen mit kleinen Wasserfall-Diagrammen. Mit diesen wird z. B. die kumulierte Abweichung über mehrere Zeitperioden gezeichnet oder, mit vertikaler Achse, eine Ergebnisrechnung visualisiert.

Die integrierte Abweichungsanzeige ist immer dann empfehlenswert, wenn für das gesamte Diagramm möglichst wenig Platz verbraucht werden soll. Der häufigste Anwendungsfall sind Small-Multiple-Diagramme. Kleinere Abweichungen sind hier kaum erkennbar. Große Abweichungen haben jedoch eine wichtige Signalwirkung und erhöhen die Aussagekraft der Grafik.

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[1] vgl. Florack/Scarabis/Primosch, 2012

[1] vgl. Götz/Rigamonti, 2015